Übliche Diktate sind zum Rechtschreibtraining nicht geeignet

Beim Schreiben von Diktaten wird den Schülerinnen und Schülern ein Text diktiert, hier ein Beispiel.

Im finsteren Wald
Wir hatten uns auf eine anstrengende Wanderung begeben. Es wurde bereits dunkel und die Hütte zum Übernachten war immer noch nicht in Sicht. Hatten wir uns verirrt?
Da hallte plötzlich das Geheul eines Wolfes durch den Wald. Ein zweiter Wolf antwortete aus einer anderen Richtung. Dann war es kurz still. Wir lauschten. Und wieder war das Geheul der Wölfe zu hören. Es musste ein ganzes Rudel sein. Das Geheul kam jetzt näher. Einige von uns bekamen Angst.
Was sollten wir tun? Wir wollten Hilfe per Handy rufen. Man hätte dann vielleicht unsere Handys orten können. Aber keines unserer Handys hatte Empfang.
Tina, unsere jüngste Wanderin, hatte eine Idee. Sie meinte, dass vielleicht der Empfang auf einem hohen Baum besser sein könnte. Also kletterte unser sportlichster Wanderer auf einen ziemlich hohen Baum. In dem Moment, als er oben war und sein Handy benutzen wollte, sah er ganz in der Nähe ein Licht. Es musste unsere Hütte sein.

Bei üblichen Diktaten werden alle Wörter des Textes von den Schülerinnen und Schülern geschrieben. Die grün markierten Wörter müssen aber nicht getestet werden. Es sind Häufigkeitswörter, die so oft vorkommen, dass sie eigentlich von allen beherrscht werden.

Hier die Häufigkeitswörter als Liste:

aber
als
also
auf, auf, auf
aus

da
dann, dann
das, das, das
dem
den

der, der, der
die
durch
ein, ein, ein, eine, eine, einem, einen, einer, eines
er, er
es, es, es, es
hatte, hatte, hätte
im
in, in, in
keines

können
man
nicht
noch
sein, sein, sein, sein
sie
tun
und, und, und
uns, uns
unser, unsere, unsere, unsere, unserer
war, war, war, war
was
wir, wir, wir, wir, wir
wurde
zu
zum

Die blau markierten Wörter kommen in unserer Sprache selten vor. Sie müssen zumindest in der Grundschule nicht vorrangig geübt werden.

finster, Sicht, hallte, Geheul, Empfang

Auch Inhaltswörter treten mehrfach auf.

Wald, Wald
Hütte, Hütte
Wolf, Wolf
Geheul, Geheul, Geheul
Handy, Handy, Handy, Handy
Empfang, Empfang
hohen, hohen
Baum, Baum

Den größten Teil des Textes könnte man sich also sparen.

Man kann jeden Text auf diese Art analysieren und die Ergebnisse werden ähnlich sein. Bei längeren Texten wird es noch wesentlich mehr Wiederholungen derselben Wörter geben. Wer sich für die Häufigkeit von Wiederholungen interessiert, kann das Zipfsche Gesetz anschauen, das z.B. bei Wikipedia beschrieben wird.

Das Auftreten einiger seltener Wörter hängt mit dem Thema eines Textes zusammen. Ein Text muss ein Thema haben, es muss um irgendwas gehen, z.B. um eine Wanderung, einen Hund, einen Traum. Ohne ein Thema, also ohne einen Inhalt, würde ein Text keinen Sinn machen.

Auswertung eines Diktats

Bei der Auswertung des Diktats wird die Anzahl der Fehler gezählt. Unter dem Diktat steht eine Note. Den Schülerinnen und Schülern wird gezeigt, was sie nicht können. Für schwache Rechtschreiber ist dies frustrierend. Schon wieder ein Diktat. Schon wieder eine schlechte Note.

Es folgt eine Berichtigung. Eine einmalige Berichtigung gewährleistet aber noch nicht die Speicherung im Langzeitgedächtnis. Zum Lernen der Rechtschreibung ist ein Diktat also nicht geeignet.

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